Antifaschistisch gegen Staat, Kapital & den Rassismus der “Mitte”

Rede zu den Anti-AfD-Protesten am 16.2.

Seit der Recherche von Correctiv über das Treffen von AfD, Werteunion, Kapitalvertretern und anderen Nazis gibt es Massendemonstrationen & Politiker*innen fast aller Parteien sprechen über ein AfD-Verbot. Dass gerade so viele die Notwendigkeit erkennen, der gesellschaftlichen Entwicklung, die sich rasant in Richtung Faschismus entwickelt, einen Riegel vorzuschieben, ist gut und wichtig. Doch die AfD ist nicht erst seit gestern eine faschistische Partei und der Rechtsruck ist nicht vom Himmel gefallen. Und es sind gerade jene Parteien der sogenannten bürgerlichen MItte, die sich jetzt als breites Bündnis der guten Demokraten ausgeben & sich mit Lippenbekenntnissen gegen die AfD überschlagen, die den Rechtsruck maßgeblich mittragen und den Faschisten den Weg bereiten

Der Plan, den AfD und andere Faschos da im “Geheimen” geschmiedet haben, ist nichts als die nächste erwartbare Stufe von dem, was sie seit Jahrzehnten anvisieren – und in Teilen bereits durchsetzen konnten, mit freundlicher Unterstützung der sogenannten Forschrittskoalition, die sich in der allgemeinen Progromstimmung vor der AfD hertreiben lässt.

Konkret bedeutet das: Während AfD und Werteunion Pläne zur massenhaften Deportation von Menschen schmieden, hebeln liberale und konservative Parteien schon jetzt das Asylrecht aus & bauen das europäische Grenzregime aus, im Innern mit Lagersystemen und Abschiebeknästen, sowie an den Außengrenzne mit Pushbacks Flüchtender, der Finanzierung Frontex & der neuen GEAS-Reform.

Es ist noch nicht so lange her, da verkündete Olaf Scholz, der am vergangenen Wochenende vorm Brandenburger Tor gegen die AFD posierte, man müsse endlich ,,im großen Stil abschieben”. Letzte Woche wurde im Bundestag dann dazu ein Gesetz verabschiedet, dass Asylsuchende weiter entrechten soll. Die bürgerlichen Parteien geben sich beste Mühe, mit der rassistischen Stimmung im Land mitzuhalten und entscheiden sich dann gleich selbst für die menschenfeindliche Politik, die sie vorgeben, verhindern zu wollen.

Gleichzeitig gibt man sich beste Mühe, die sozialen Krisen in diesem Land weiter anzufeuern, indem Sozialleistungen weiter gekürzt, öffentliche Daseinsvorsorge vernichtet und kaputtgespart wird & Menschen in immer beschissenere Arbeitsverhältnisse gezwungen werden.

Das Faschismuspotenzial in diesem Land bekämpft man sicher nicht, indem man den Menschen den Boden unter den Füßen wegzieht, soziale Sicherheiten vernichtet und gleichzeitig jede solidarische Alternative zu dieser Konkurrenzgesellschaft im Keim erstickt – indem man z.B. Arbeitskämpfe unterdrückt, soziale Bewegungen kriminalisiert, Menschen gegeneinander ausspielt, in die Vereinzelung treibt und nach ihrer Verwertbarkeit für den Kapitalismus beurteilt.

Wo der Staat seine Prioritäten setzt, sieht man auch daran, dass von den Kürzungen im Sozialhaushalt auch massiv Bildungs- und Demokratieprojekte betroffen sind, die sich zum Ziel setzen, das demokratische, kritische Bewusstsein junger Menschen zu stärken und die Zivilgesellschaft gegen autoritäre Ideologien in Stellung zu bringen.

So soll der Kampf gegen rechts aussehen? Indem der Sozialstaat ausgehöhlt, demokratischer Bildung die Gelder gestrichen und die Menschen in die Armut gedrängt werden?

Wer gegen Rassismus kämpft, wer den Faschismus verhindern will, der kann sich auf den Staat nicht verlassen. Das hat die Geschichte gezeigt, das zeigt die Gegenwart. Wir erinnern daran, dass der Staat den NSU mit aufgebaut und finanziert hat. Wir erinnern daran, dass der Staat rassistische Morde der Polizei vertuscht. Wir erinnern daran, dass der Staat seit jeher diejenigen, die seit Jahrzehnten auf die nie verschwundene faschistische Gefahr hinweisen und sich gegen Rechtsruck und Menschenfeindlichkeit antifaschistisch organisieren kriminalisiert, verfolgt, auf Demos verprügelt und ins Gefängnis steckt.

Wir können uns also nicht darauf verlassen, dass der Staat das für uns regelt, wir müssen selbst aktiv werden. Rechstruck und Faschismus bekämpfen heißt, nicht nur eine klare Haltung gegen die AfD zu zeigen – es bedeutet auch, stark zu werden gegen die Allianz von Staat, Nazis und Kapital. Dazu müssen wir aus der Vereinzelung heraustreten – ob in der Gewerkschaft, dem solidarischen Nachbarschaftstreff oder der lokalen autonomen Antifa-Gruppe.

Organisiert euch gegen den Rassismus der Mitte, gegen die faschistische AfD und ihre erbärmlichen Wegbereiter. Und für eine solidarische Gesellschaft: Das bleibt Handarbeit!

weil uns die patriarchale Justiz nicht schützen wird.

Rede auf der Protestkundebung anlässlich des Solo-Konzerts von Till Lindemann in Münster am 12.11.2023

Der Fall Till Lindemann zeigt auf ekelhafteste Art und Weise, dass sexualisierte Gewalt System hat; dass patriarchale Gewalt und der Schutz von Tätern Teil einer gesellschaftlichen Struktur ist, unter der wir als Frauen, als queere Menschen und trans Personen tagtäglich leiden.

Der Typ wegen dem wir heute hier sind und seine misogyne Bande sind selbstverständlich herzlichst zu verachten. Wir sind hier wegen einem Mann, einem Täter, der sich dieses System und seine Machtposition als reicher, berühmter Star auf grausame Weise zu Nutzen gemacht hat. Gleichzeitig ist es uns wichtig zu betonen, dass es solche Fälle täglich und weltweit gibt und unsere Wut sich heute auch insbesondere gegen das System richtet, dass auf dieser Gewalt gegen Frauen aufbaut. Wir leben in einem System, in dem es Wörter wie rape culture geben muss. In dem so viele von uns sexuelle Gewalt erleben. In dem nicht mal 8% verurteilt werden – von den maximal 15% angezeigten Fällen. In dem jeden dritten Tag ein Femizid begangen wird.

Die Dinge, die nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe gegen TiII Lindemann passiert sind, sind ein wirklich exzellentes Paradebeispiel, wie mit Vorwürfen sexualisierter Gewalt in unserer Gesellschaft umgegangen wird. Die Opfer werden als “famegeil” bezeichnet – als ob sie auf irgendeine Weise danach etwas positives erlebt hätten; sie werden bedroht und beleidigt. Sie werden vermutlich genauso belächelt wie wir heute von den Fans, die trotzdem oder gerade deshalb auf dieses Konzert gehen.

Und der Täter? Er darf weiter solo-shows spielen, sich weiter feiern lassen, und sich auf juristischer Ebene von einem System schützen lassen, dass für und von Männern gebaut ist. Und für die „weiß man alles nicht so genau”-Fraktion nochmal ganz eindeutig: Frauen unter Drogen zu setzen oder mit Alkohol abzufüllen um danach sexuelle Handlungen zu vollziehen, ist eine Vergewaltigung.

Dass es weder gesellschaftliche noch rechtliche Konsequenzen bei derartigen Vorwürfen gibt, ist ein Ausdruck davon, wie verankert und normalisiert diese Gewalt in unserer Gesellschaft ist.
Kosequenzen gibt es wenn für die Betroffenen, die jetzt die volle Wucht der antifeministischen Konterreaktion abbekommen und zum Feindbild der bürgerlich-konservativen und Rechten karikiert werden, die in ihnen alles sehen was sie hassen – zu woke, zu hysterisch, zu rachsüchtig. Oder wie wir es sagen würden: Sie hassen es, dass diese Frauen nicht auf den ihnen zugewiesenen erniedrigten Plätzen kauern bleiben, sondern sich wehren. Gemeinsam.

Es stimmt ja – Feminismus ist mittlerweile irgendwie en vogue und in aller Munde, selbst der mainstream und die Bürgerlichen wissen mittlerweile, dass es ohne Gleichstellungs-Bekenntnisse nicht mehr geht.

Und trotzdem stehen wir, stehen die Betroffenen dieser krassen sexuellen Gewalt, die aus der Verachtung und Entwürdigung von Frauen und ihren Körpern hervorgeht, wieder alleine da. Trotzdem können sich die Betroffenen in dieser Situation größter Vulnerabilität, in der es um die Unversehrtheit ihrer Körper geht, in keinster Weise auf den Rückhalt der Gesellschaft und den Schutz vom Staat verlassen. Dabei ist das doch eigentlich das erste ausformulierte Versprechen des Staates: Dass die Unversehrtheit unserer Körper garantiert und dass die
Würde aller Menschen geachtet wird. Das ist doch das absolute Mindestmaß, die Grundlage, auf der sich dieser Staat legitimiert. Nicht einmal dieses absolute Mindestmaß scheint für Frauen und Queers zu gelten.

Der Unwille und das Unvermögen der Justiz, die Betroffenen zu unterstützen, zu ihrem Recht zu verhelfen und frauenverachtende Gewalttäter als solche anzuerkennen, offenbart den patriarchalen Charakter dieser Justiz. Es offenbart, dass die Justiz als staatliches Organ keine neutrale Instanz ist, die im besten Wissen und Gewissen im Sinne der Menschen agiert, sondern Komplize des patriarchalen Kapitalismus ist, der sich auf die Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen stützt. In diesem Kapitalismus ist es die erste Aufgabe des Staates, die bestehende gesellschaftliche Ordnung aurechterhalten, und damit auch die patriarchale Gesellschaftsordnung.
Es ist deshalb keine Fehlfunktion der Justiz, dass sie uns gerade nicht schützen kann, kein nicht vorgesehener Mangel, den es nur zu beheben gilt. Indem der Staat Vergewaltigern den Rücken deckt, erfüllt er seine Funktion im patriarchalen Kapiatlismus. Er hält uns unten. Er sichert den Zugriff auf unsere Körper und die bestehenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse ab. Und in denen haben wir nicht so viel zu melden.

Das führt uns vor Augen, dass die diversity-programme und der liberale Quoten-Feminismus des mainstreams nichts anderes sind als neue Marketing-Strategien und die Kaschierung der patriarchalen Geschlechterordnung, die diese Gesellschaft nach wie vor trägt und von ihr getragen wird.
Davon dürfen wir uns nicht blenden und zufriedenstellen lassen. Die von uns historisch erkämpften Rechte sind keine Selbstverständlichkeiten, sondern nach wie vor umkämpft und durch Aufstieg der Rechten hier und weltweit bedroht. Mit dem Aufstieg der AfD sind keine guten Zeiten für die Rechte von Frauen und Queers in Aussicht. Wenn wir uns jetzt schon nicht auf den demokratischen Staat verlassen können, wird das mit potenziellen AfD-Regierungen nicht besser werden. Deswegen müssen wir uns abseits des Staates organisieren, auf den wir uns eh nicht verlassen können. Und das ist keine leere Phrase oder Trotz-Aussage, sondern eine historische Erkenntnis, die sich aktuell wieder bestätigt.

Wir dürfen uns nicht auf die falsche Alternativen von Faschismus und progressivem Neoliberalismus einlassen: Unter seinem sozial-grün-diversen Deckmäntelchen untergräbt der neoliberale Kapitalismus gerade alle Grundlagen unseres Zusammenlebens, nimmt uns alle Sicherheiten, die uns noch bleiben und flutet alle unsere Lebensbereiche mit der Lebensfeindlichkeit der Marktlogik. Der Neoliberalismus kann niemals unser Komplize im Kampf für das gute Leben für alle sein. Er pinselt nur das bunt an, was das Schlechte nur immer und immer wieder hervorbringt.

Lasst uns zusammen für eine solidarische Gesellschaft kämpfen nicht nur heute, nicht nur wenn TL hier ist, nicht vereinzelt – sondern kollektiv, kontinuerlich, autonom. Lasst uns nach Wegen abseits von Kundgebungen und „Szene” suchen, die uns tatsächlich gemeinsam handlungsfähig machen. Denn ganz ehrlich – zufriedenstellend finden wir das nicht, dass unser Spielraum für Widerspruch, für Widerstand gegen die Gewalt gegen unsere Körper, eingehegt ist auf die paar Quadratmeter dieser angemeldeten Kundgebung und wir danach alle wieder nach Hause gehen, aber der patriarchale Horror geht weiter. Tag für Tag.

Dagegen kommen wir nicht vereinzelnd an, nicht nur durch individuell feminischtisches Verhalten und auch nicht nur in kleinen Grüppchen, die alle ihr eigenes Süppchen kochen. Was wir brauchen sind starke feministische und antifaschistische Allianzen. Also lasst uns Banden bilden, uns zusammenschließen, uns vertrauen lernen und in unseren Gemeinsamkeiten unsere Stärke finden. Wir werden das brauchen, bei allem was auf uns zukommt. Und wir werden das brauchen, wenn wir für etwas ganz anderes kämpfen wollen. Für eine solidarische Welt, ohne Ausbeutung und Unterdrückung, eine Welt, in der wir keine Angst mehr haben müssen. Keine von uns.

Autoritäre Zuspitzung in Leipzig rund um den Tag X und die #freeLina Proteste

Leipziger Kessel und Co. als Blaupause für kommenden Protest? Eine Einordnung zu den Geschehnissen am und um den 3.6.2023 in Leipzig

Wir haben in den vergangenen Monaten mit Antifaschist*innen aus verschiedenen Städten und politischen Zusammenhängen gesprochen, die die Repression des Protests rund um den Tag X im Zusammenhang mit dem Antifa Ost Prozess in Leipzig miterlebt haben. Einige Gedanken, Einordnungen und Fragen, die sich aus den Gesprächen ergeben haben, wollen wir hier mit euch teilen.

Was sich in Leipzig rund um den Tag X ereignet hat, der als Reaktion auf die Verurteilung von Lina E. und 3 weiteren Antifaschist*innen ausgerufen wurde, war eine neue Spitze der Repression von antifaschistischem Protest und eine Blockbuster-Inszenierung einer linken Gefahr durch deutsche Sicherheitsbehörden.

Zur Chronologie

  • Nach der Verurteilung von Lina E. und 3 weiteren Antifaschisten am 31.5. zu mehreren Jahren Haft im Rahmen des Antifa Ost Verfahrens wird von Antifaschist*innen der Tag X ausgerufen und eine Demonstration für den darauffolgenden Samstag, den 3.6. angemeldet. Die Demo wird schon im Vorfeld verboten, wegen ,,massiver Gefahreneinschätzung” seitens der Leipziger Stadt und Polizei. Das Verbot wird angefochten, kann aber nicht gekippt werden. Im Nachgang wird durch eine kleine Anfrage beim Landtag klar, dass dem keine Fakten zugrunde lagen und dass sich dabei nur diffus auf die ,,Wir sind alle linx”-Demo von 2021 bezogen wurde.
  • Um trotzdem die Wut auf die Straße zu tragen, wird kurzfristig von Antifaschist*innen eine alternative Demo mit Bezug auf die Einschränkung der Versammlungsfreiheit angemeldet, zu der sich am Samstag weit über tausend Teilnehmer*innen versammeln.
  • Die Demo wird von der Polizei nicht laufen gelassen, die Teilnehmer*innen müssen auf dem Alexander-Leusch-Platz ausharren. Zu diesem Zeitpunkt sind der Platz und die angrenzenden Straßen bereits vollständig von Hundertschaften und Wasserwerfern umstellt/dicht gemacht. Ob der Plan war, die Demo jemals loslaufen zu lassen, ist zweifelhaft.
  • Ein Teil der Demo setzt sich irgendwann trotzdem in Bewegung, es gibt einige unruhige, tumultige Minuten. Binnen weniger Minuten zieht die Polizei, die schon bereit stand, zu und setzt einen Teil der Menge fest. Etwa 1000 Leute sitzen ab diesem Zeitpunkt im ,,Leipziger Kessel”.
  • Der pauschale Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs gilt als Grundlage für den Kessel, in dem die Antifaschist*innen, unter ihnen viele Minderjährige, bei zeitweise unter 10 Grad die ganze Nacht im Gebüsch, ohne Toilette und Versorgung, ausharren müssen. Trinkwasser und Rettungsdecken gibt es nur von solidarischen Sanis.
  • Die Cops ziehen nach und nach Personen aus dem Kessel, um sie zu durchsuchen und die Identität festzustellen, teilweise werden Handys abgenommen, einige Personen landen in der Gefangenensammelstelle. Während dieses Vorgehens gibt es bis spät in die Nacht gezielt aggressives Vorstoßen in die Menge, teilweise werden um 4 Uhr morgens noch Schmerzgriffe gegen völlig erschöpfte Menschen angewandt. Der solidarischen Ansammlung an Menschen, der sich außerhalb des Kessels befindet, wird immer wieder gedroht, mit dem Wasserwerfer entfernt zu werden. Irgendwann nachts ertönt die Aussage, dass bis zum Ende des Wochenendes, Sonntag 24 Uhr alle politischen Äußerungen zu Lina und Versammlungen in Leipzig verboten sind.
  • Die letzten Menschen kommen um ca. 5 Uhr morgens aus dem Kessel-Gewahrsam raus.
  • Vom Versammlungsverbot wird auch am nächsten Tag Gebrauch gemacht, als sogar der Support an der Gefangenensammelstelle, der sich solidarisch mit den immer noch inhaftierten Antifas zeigt, aufgelöst wird.
  • Auch über das Wochenende hinaus werden 10 Personen vorläufig in U-Haft gesteckt.

Das Wochenende und die Tage davor und danach haben wieder einmal gezeigt, dass die Repressionsorgane des Staates und die bürgerliche Presse beste Komplizen sind, die sich gegenseitig Narrative schaffen, welche wiederum die nächsten repressiven Schritte gegen Antifaschist*innen legitimieren sollen. Immer grundlegend dabei: Der Feind steht links.

Wir haben alle den Prozess um Lina E. mitverfolgt: Das war ein politisch geführter Indizienprozess mit dem Ergebnis einer mehrjärigen Haftstrafe – ohne feste Beweisgrundlage. Am Tag der Urteilssprechung, am 3.5., wird aus Lina E. eine ,,verurteilte Linksextremistin”. Dieses Narrativ wird am darauffolgenden Wochenende genutzt, um die mit ihr solidarischen Proteste zu verunglimpfen.
Es ist aus dieser Sicht ganz einfach: Da, wo Leute sich mit einer ,,verurteilten Linksextremistin” solidarisieren, kann man auch mal eben das Grundrecht der Versammlungsfreiheit für ein ganzes Wochenende aushebeln, Menschen 10 Stunden ohne Versorgung in einem Polizeikessel festsetzen und jegliche politische Aussage verbieten. Ansonsten sorgt schon einer der zahlreichen herangekarrten Wasserwerfer dafür, dass die Leute ihre Schnauze halten und den Prozess um Lina nicht zu dem Politikum zu machen, das er ist. Öffentlicher Dissens ist nicht erlaubt.
Wenn es um Linke geht, dann interessiert es diejenigen, die sonst so ritualisiert und fetischisierend auf Grundgesetz und Verfassung pochen und Linke als Verfassungs- und Demokratiefeinde brandmarken auf einmal herzlich wenig, wenn der Rechtsstaat sich partikular verabschiedet.

Wir finden es wichtig, diese autoritäre Zuspitzung rund um den Tag X in Leipzig in eine Chronolgie der Repressionsverschärfung gegen antifaschistische Praxis und Bewegung einzubetten.
Gleichzeitig wollen wir uns mit dem Verweis auf die Verletzung von Rechtsstaatlichkeit und Versammlungsfreiheit nicht auf die bürgerliche Diskussion über legitimen und illegitimen Protest und was denn jetzt die vernünftige, ,,verhältnismäßige” Polizeistrategie sei, Protest zu unterdrücken oder einzuhegen, einlassen – die gibt es nicht. Die Unverhältnismäßigkeit dadurch zu unterstreichen, dass man die Demonstrant*innen in ,,ein paar Gewaltbereite/Kriminelle” und einen friedlichen Rest, der jetzt in Mitleidenschaft gezogen wird, einteilt, gleicht einer Entsolidarisierung mit dem militanten Ausdruck des Protests und entschärft das Anliegen, einen radikalen, unversöhnlichen und entschlossenen Dissens mit der gegenwärtigen Gesamtscheiße zu formulieren und der drohenden rechten Hegemonie etwas entgegenzusetzen.

Der bürgerliche Staat ist im Kampf gegen Faschismus nicht unser Freund, auch nicht in seiner liberalen Variante, die Rücksicht auf Versammlungsfreiheit nimmt, sondern in erster Linie Komplize des Kapitals und Garant einer falschen Ordnung, deren rechte Schlagseite immer weiter Richtung Faschismus kippt. Es ist diese Ordnung, in der der Faschismus gärt, die bekämpft werden muss und keine Zukunft haben darf – für eine bessere Zukunft dürfen wir uns von den engen Begrenzungen, die der Staat Protest setzt, nicht einhegen lassen. Der bürgerliche Rechtsstaat lässt immer gerade so viel Spielraum für Protest, wie es der herrschenden Ordnung nicht zu gefährlich wird. Da geht es auch mal dem Versammlungsrecht an den Kragen, wie wir z.B. bei der Verabschiedung des neuen Versammlungsgesetzes in NRW gesehen haben, das sich vor allem gegen Klimaaktivist*innen und Antifaschist*innen wendet.

Die Sicherheitsbehörden verschärfen die Repression gegen Linke immer weiter und schaffen sich mit Inszenierungen wie in Leipzig selbst die Legitimierungsgrundlage – der ,,Mythos Connewitz” und die ,,linke Gefahr” werden durch einen medial wirksamen Großeinsatz mit 17 Wasserwerfern und über 4000 cops wirksam heraufbeschworen und mit dem Leiziger Kessel wandern 1000 neue ,,linke Straftäter” in die polizeilichen Datenbanken und hübschen die Statistiken zu linker Gewalt auf. Diese Statistiken dienen dann wiederum als Grundlage für weitere Repressionsverschärfung und nebenbei der Verharmlosung der Gefahr von rechts – eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Wir haben den Eindruck, dass, je größer und offensichtlicher die Gefahr durch die Rechten wird, die immer offener im öffentlichen Raum – auf den Straßen, den Dörfern, im Parlament – auftreten und je größer die sozialen Verwerfungen, desto ernergischer wird daran gearbeitet, das Feindbild und die Gefahr von links zu konstruieren.

Die eurpäische Asypolitik wird immer brutaler, das Asylrecht wird suksessive abgeschafft, das massenhafte organisierte Töten und Sterbenlassen an den europäischen Grenzen ist selbst grenzenlos, in Deutschland ist die AfD in Umfragen die zweitstärkste Kraft, vor kurzem wurde der erste AfD Landrat ins Amt gewählt. Vor allem im Osten gibt es eine bereits teils realisierte, teils drohende rechte Hegemonie.

Die Gegenwart und Zukunft ist düster. Wir fragen uns, was wir dem in diesen Zeiten, in denen wir stecken, entgegensetzen können.
Es stellt sich die Frage nach einer antifaschistischen Praxis, die sich nicht nur in Mobilisierungen erschöpft und nach Demos wieder verpufft, weil ihr verbindliche Organisierungstrukturen als Grundlage fehlen und die Verankerung in anderen gesellschaftlichen Bereichen als der ,,Szene”.

Es stellt sich die Frage nach einer Praxis, die sich nicht in bürgerlichen Bahnen bewegt und tatsächlich an den Verhältnissen kratzt. Es stellt sich die Frage nach dem Umgang mit Repressionen, die uns teilweise handlungsunfähig machen und unsere Strukturen geschädtigt haben und schädigen.

Die Leipziger Gruppe Kappa hat einen Text zur Reflexion mit dem Umgang mit Repressionen in der Leipziger Antifa-Szene verfasst, den wir an dieser Stelle ans Herz legen möchten: https://kappaleipzig.noblogs.org/post/2023/05/06/leipzig-die-repression-wirkt-reden-wir-darueber/

Konkret auf den 3.6. in Leipzig bezogen fragen wir uns, ob eine solche angemeldete Großdemonstration in dieser Form noch Sinn macht, wenn #LE0306 als Blaupause für den Umgang mit kommenden Großprotesten wird. Vielleicht müssen wir darüber nachdenken, wieder dezentraler, autonomer, spontaner – oder unangemeldet – unterwegs zu sein? Was können wir uns noch von der Zusammenarbeit mit den Versammlungsbehörden erhoffen?
Das entschlossener Widerspruch weiter auf die Straße muss, ist klar.

Zum Ende noch ein paar Worte der ehemaligen Antifa-Kleinparis aus Leipzig:

,,An dieser Stelle sei allen Fetischdienern des Grundgesetzes und moralischen Empörern mit auf den Weg gegeben: Euer sozialer Frieden ist nur zum Preis einer durch und durch rassistischen Gesellschaft zu haben. Wer dem rechten Terror landauf und landab entschlossen entgegen treten, den Menschen, die hier ankommen, ein würdiges Leben ermöglichen und die Ursachen ihrer Flucht beseitigen will, der kann dies nur gegen die bestehenden Verhältnisse tun. Dazu muss eine linksradikale Praxis und ein konsequenter Antifaschismus deutlich mehr Grenzen überschreiten, ebenso wie unsere Praxis in Solidarität mit den Kämpfen von Geflüchteten die Grenzen der rassistischen Asylpolitik sprengen muss“

gez. fantifa ms & eklat ms

Bürgerliche und Konservative als Steigbügelhalter für den Faschismus – Ein Blick auf aktuelle Faschisierungsdynamiken und Deutschland-Feierei.

Rede zum Anti-Oktoberfest am gazometer am 14.10.2023

Wir leben in einer ganz schön gruseligen Gegenwart. Ein Auswuchs dieser gruseligen Gegenwart ist die gruselige Oktoberfest-Tradition. Bei Oktoberfest denken wir an sexuelle Übergriffe und K.O.-Tropfen, an Parteitage der CSU und Hubert Aiwanger, an Volkstümelei und Hitlergrüße – deutsche Leitkultur halt.

In den Bierzelten herrscht eine Stimmung des ,,Endlich sagts mal jemand” und ,,das wird man ja wohl noch sagen dürfen” was sich vor allem auf rassistische und antifeministische Hetze bezieht und Beschwerden über das Unglück, das die grüne gender-wokeness über Deutschland bringt.

In der Zusammenrottung besoffener Deutschland-Fans kommt das zum Ausdruck und wird das abgefeiert, was uns enorm Angst macht – eine zunehmende Normalisierung rassistischer und nationalistischer Positionen, der allgemeine Prozess des gesellschaftlich nach rechts-rückens,die Faschisierung des Denkens und der Politik.

Und daran wirken die bürgerlich-konservativen Kräfte in diesem Land tatkräftig mit.

Bürgerliche und rechts-konservative Medien beschwören seit einiger Zeit eine Migrationskrise 2.0:

Auf dem Spiegel-Cover fragt man sich laut: Schaffen wir das nocheinmal? Dazu sind Flüchtende als gesichtslose Masse abgebildet, die anscheinend Europa und das ächtzende Deutschland überschwemmt.

Friedrich Merz schwurbelt in stumpfer rechtspopulistischer Manier herum, dass Geflüchtete die Zähne schön gemacht bekämen, während die normalen Deutschen leer ausgingen. Es ist an Blödsinn nicht zu übertreffen.

Wenn in Herford ein migrantischer Jugendlicher, Bilel, fast von der Polizei ermordet wird, weil er ohne Führerschein Auto gefahren ist, hetzt eine Allianz aus Parteien und Presse lieber rassistisch gegen ihn und die mit ihm solidarischen Herforder Jugendlichen, die sie als ,,kriminell”, ,,salafistisch”, ,,linksextrem” stempeln, anstatt die rassistische Polizeigewalt anzuklagen.

Im konservativen Lager ist man sich also einig: der größte Feind steht immernoch außen und links und man beschließt, ins rechte Hetzfeuer einzusteigen und die Politik, die sich AfD und Wählerschaft wünschen, gleich selbst in Teilen umzusetzen – um die rechte Gefahr zu entschärfen, versteht sich.

Natürlich ist man auch weiterhin übereifrig damit beschäftigt, Linke zu kriminalisieren. Dafür zieht man immer banalere Gründe heran: In Nürnberg wurden vor ein paar Tagen 6 Wohnungen wegen simplen free Lina-Antifa-Graffitis durchsucht und der Vorwurf der ,,kriminellen Vereingung” nach Paragraph 129 in den Raum gestellt. What else to say.

Um die fließenden Übergänge von Konservativen und Rechten aufzuzeigen braucht man aber gar nicht auf bayerische CSU-Parteitage und nürnbergische Staatsschutz-Abenteuer schauen, es reicht ein Blick auf die Straßen Münsters, wo seit Jahren, genau wie letzte Woche, eine Allianz aus christlichen Fundamentalist*innen, Burschenschaftlern und organisierten Rechten beim 1000K Marsch auf die Straße geht. Der Kitt zwischen konservativem und rechtsradikalen Milieu ist hier der Antifeminismus, man reicht sich da die Hand, wo man Frauen und Queers ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung absprechen und Frauen auf die Rolle der Reproduktion des Volkskörpers reduzieren will.

Die Konservativen und bürgerlichen sind kein Puffer, kein Bollwerk der Demokratie und Vernunft oder so ein Quatsch, sondern erweisen sich gerade als nichts anderes als Steigbügelhalter für den Faschismus. Wenn man was aus der Geschichte lernen will, erinnere man sich, dass auch der Nationalsozialismus nicht vom Himmel gefallen ist, sondern aus der deutschen Gesellschaft erwachsen und von der deutschen Gesellschaft getragen wurde.

Auch diesmal fällt die rechte Bedrohung nicht vom Himmel. Die deutsche Gesellschaft nach 45 hat sich Mühe gegeben, die nazistischen, rechten Kontinuitäten zu verschweigen und die Bürgerlichen geben sich als geläutert und wiedergutgeworden, dabei kommen die Konservativen von CDU, CSU und Co aus dem gleichen Sumpf, den man vorgibt, nach 45 trockengelegt zu haben.

Wir sehen es bei Aiwanger und dem CSU Wahlkampf in Bayern: Der Skandal um antisemitische Flugblätter, die er in seiner Jugend bei sich trug, beschert ihm ein Direktmandat. Man könnte sagen: Nicht trotz, sondern wegen seiner antisemitischen Flugblätter ist er so erfolgreich. AfD, CSU und Co sind nicht erfolgreich trotz, sondern wegen ihrer rassistischen Hetze, ihrer demonstrativen Absage an inklusive Solidarität, an Menschlichkeit.

Apropros Antisemitismus und weil es sich falsch anfühlen würde, in diesen Tagen nichts dazu zu sagen:
Weil Antisemitismus ein gesellschaftliches Problem ist, ist er auch in der Linken präsent, was in der zurückliegenden Woche besonders deutlich wurde. Von einem erschreckend großer Teil von dem, was man so gemeinhin als ,,Linke” bezeichnet, wurde das größte Massaker an Juden und Jüdinnen seit der Shoah als ,,antikolonialer Widerstand” bezeichnet und als dieser begrüßt. Während man vor einiger Zeit noch Jin Jiyan Azadi skandierte, feiern manche den islamistischen und zutiefst frauenverachtenden Terror der Hamas, sponsored vom iranischen Regime als ,,Befreiungskampf” ab. Das hat nichts, absolut gar nichts mit Befreiung und Emanzipation zu tun, sondern ist pure Menschenverachtung und politischer Verrat. Wer ein ,,nie wieder” und ,,gegen jeden Antisemitismus” ernst meint, sollte gerade in diesen Tagen, an dem Juden und Jüdinnen in Israel und der ganzen Welt bedroht sind, nicht die Augen vor dieser Realität verschließen.

Genauso ekelhaft ist die deutsche Gesellschaft, die die Gelegenheit jetzt gern nutzt, um ihren Antisemitsmus zu externalisieren und in pauschale rassistische Hetzte gegen migrantische Menschen und Muslim*innen verfällt.

Zurück zum Oktoberfest: Wir wünschen uns eine Welt ohne volksbegeistertes Schunkeln im Bierzelt. Wir haben nichts gegen Schunkeln, im Gegenteil- wir wollen schunkeln ohne Volk, Staat und Patriarchat und wir wollen eine Gesellschaft, in der Menschen gar nicht das Bedürfnis haben, sich mit der Volkgsgemeinschaft zu verschmelzen, aus der Angst, sonst unter die Räder zu kommen und um irgendwo dazuzugehören.
Dafür muss es den Grundfesten dieser Gesellschaft an den Kragen gehen, die diese Deutschtümelei immer wieder hervorbringt. Es muss dem Patriarchat an den Kragen, dass sich in den stickigen Zelten für viele als gewaltvoll konkretisiert.

Lasst uns gemeinsam dran bleiben, das möglich zu machen.

Verbindliche Solidarität organisieren – Rede zum Jahrestag des Mordes an Jina Amini

Vor einem knappen Jahr, am 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, haben wir uns hier auf der Stubengasse gemeinsam versammelt, um unsere Verbundenheit in den feministischen Bewegungen weltweit zum Ausdruck zu bringen. Wir haben an die vielen Frauen und Mädchen, die im Iran und an vielen anderen Orten der Welt Opfer von Gewalt geworden sind, gedacht. Wir haben an Jina Mahsa Amini erinnert – die junge Kurdin, deren Tod durch die islamische Sittenpolizei eine ganze Revolutionsbewegung auslöste. Wir haben gemeinsam „Jin, Jiyan, Azadî“ gerufen und uns daran erinnert, dass die feministischen Kämpfe weltweit so vieles gemeinsam haben. Dass wir an so vielen Orten der Welt gegen die Gewalt kämpfen, die uns angetan wird: Durch Worte, durch Schläge, durch gesellschaftliche und staatliche Strukturen. Unsere Sehnsucht nach Freiheit und nach Selbstbestimmung vereint uns. So riefen es die iranischen Frauen schon am 8. März 1979, als sie gegen die Zwangsverschleierung auf die Straße gingen: „Freiheit ist weder westlich noch östlich, Freiheit ist international. Die Freiheit der Gesellschaft ist ohne die Freiheit der Frauen nicht möglich.“ Gemeinsam mit kurdischen, iranischen und vielen weiteren Feminist*innen haben wir an diesem Tag Kraft und Hoffnung geschöpft aus dem Wissen um die universale Verbundenheit unserer verschiedenen Kämpfe gegen patriarchale Gewalt und unterdrückerische Herrschaftssysteme.

Als Teil dieser Vernetzung, als Feminist*innen und Linke, die diese gemeinsamen Kämpfe weiterführen wollen, stehen wir heute hier. Solidarisch an der Seite derer, die im Iran und mit den Menschen im Iran gegen die patriarchale und religiös-fundamentalistische Herrschaft des islamischen Mullah-Regimes kämpfen.

Im letzten Jahr haben wir versucht, herauszufinden, wie Solidarität hier in Deutschland konkret aussehen kann, was die Rolle der deutschen Linken sein kann, um das Regime zu schwächen und den für Freiheit kämpfenden Menschen im Iran den Rücken zu stärken. Wir haben versucht, kontinuierlich dabei zu sein, wenn die iranische Community, wenn ihr, jeden Samstag in Münster auf der Straße wart, um Gerechtigkeit zu fordern und das Sterben zu beenden. Aber wir mussten auch beobachten, dass es immer weniger Menschen wurden, die sich versammelten, das wir immer weniger wurden und dass das Thema langsam, aber beständig aus der Auseinandersetzung verschwand.

Wir haben es als deutsche Linke nicht geschafft, die Doppelmoral der Herrschenden offenzulegen und anzugreifen – dass die feministische Revolution im Iran von der Bundesregierung immer wieder symbolisch unterstützt wurde, dass die Parole Jin Jiyan Azadi im Parlament ertönte, aber gleichzeitig die polit-ökonomischen Beziehungen zum Iran weiter gepflegt wurden, als handelte es sich beim islamistischen Regime nicht um eine Terrorherrschaft, die so vielen das Leben kostet, in der Vergangenheit, in der Gegenwart, und solange es besteht auch in der Zukunft.

Deutsche Außenpolitik ganz nach dem Motto ,,Deutschland zuerts”, auch wenn man das so nur hinter vorgehaltener Hand sagt, offiziell nennt man das dann ,,feministische Außenpolitik” – es ist an gewohnter Heuchelei nicht zu übertreffen.

Während Annalena Baerbock und co also weiterhin so tun, als wäre die deutsche Außenpolitik von wohltätigen Motiven und nicht von knallharten Eigeninteressen getrieben, setzt man sich weiterhin an den Verhandlungstisch mit dem Mullah Regime und überlegt, wie man die eigenen deutschen Sicherheitsinteressen im gegenwärtigen Weltgeschehen am besten absichern kann – ohne Rücksicht auf Verluste.

Da haben wir als radikale Linke keine Antworten drauf gefunden – keinen entschlossenen Widerspruch formuliert oder die staatliche Vereinnahmung durchkreuzt.

Die herrschenden Strukturen anzugreifen, die uns hier und auf der ganzen Welt unterdrücken, uns voneinander isolieren, uns zermürben und uns töten – das erfordert uns als Feministinnen, als Antifaschistinnen, als Internationalistinnnen, unfassbar viel Ausdauer und Beständigkeit, einen unfassbar langen Atem, er uns manchmal dünn wird.

Für uns ist klar: Die Menschen im Iran, die Frauen, die Kurd*innen und alle Minderheiten, die jungen Generationen: Sie sollen ihre Geschichte machen können. Wir hoffen, dass sich progressive Kräfte durchsetzen. Wir wissen, dass es sich auch nur für ein Stück Freiheit mehr, für ein Stück Angst weniger, gelohnt haben wird zu kämpfen und die Köpfe zu erheben.

Wir stehen heute und auch weiterhin solidarisch an der Seite der feministischen Revolution im Iran. Einer Revolution, die als Ziel das Ende der Unterdrückung von ethnischen Minderheiten wie den Kurd*innen und Belutsch*innen, und der Unterdrückung von Frauen und queeren Menschen, ja das Ende von Unterdrückung überhaupt hat. Wir stellen uns damit hinter und neben die Menschen, die im Iran selber für ein freies und selbstbestimmtes Leben kämpfen.

Wie Mina Khani sagt: „Die Menschen, die bei der iranischen Revolution getanzt haben, hören nicht auf zu träumen“. Wir möchten nicht nur jetzt und augenblickhaft, sondern beständig und mit aller Kraft an eurer Seite bleiben, bis sich die Träume der Menschen auf den Straßen Irans verwirklichen! Denn die Kämpfe der Frauen, der Menschen im Iran sind nicht nur die Kämpfe anderer. Es sind auch unsere Kämpfe.

Für den Sieg der Revolution – für die Frauen, für das Leben, für die Freiheit! Jin – Jiyan – Azadî!

Klimaschutz & Antifa – let’s stick together! Rückblick auf die free-Lina femKneipe

Klimaschutz & Antifa – let’s stick together! 


Wir haben uns gestern kurzfristig dazu entschieden, die feministische Kneipe im Rahmen der Uni-Besetzung stattfinden zu lassen, weil wir als Feminist*innen, als Antifaschist*innen, als Linke gemeinsam für eine klimagerechte Welt kämpfen. Klimaschutz ist Handarbeit – wir haben in verschiedenen Kämpfen immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Appelle an den Staat für mehr Klimaschutz ins Leere laufen. Der Staat zeigt sich vielmehr als guter Komplize vom Kapital und spätestens der Abriss von Lützerath hat gezeigt, dass wir uns beim Kampf um Klimagerechtigkeit nicht auf den Staat (oder aufs Rektorat) verlassen können, sondern uns organisieren & die Sache selbst in die Hand nehmen müssen. Genauso ist auch Antifaschismus Handarbeit – während rechte Gewalt zunimmt, Nazis Waffen horten, Todeslisten  schreiben und sich  auf den Tag X vorbereiten, konzentriert sich der Staat lieber darauf, ein linkes Feindbild zu konstruieren und kriminalisiert Antifaschist*innen, die sich dem rechten Aufstieg entgegenstellen und Solidarität organisieren. Antifaschismus ist und bleibt notwendig – wir sind solidarisch mit denen, die sich gegen rechte Gewalt einsetzen und dafür die volle Repression des Staates zu spüren bekommen. Free Lina! 


Wir haben gestern aus feministischer Perspektive auf das Antifa Ost Verfahren geblickt. Nicht zuletzt, weil in diesem leider das Thema sexualisierte Gewalt eine große Rolle gespielt hat und der Umgang mit Tätern im Kontext von antifaschistischer Solidaritätsarbeit uns mit Fragen und Unverständnis zurücklässt. Weil wir nicht erst seit diesem Verfahren in Antifa-Kontexten immer wieder mit Sexismus bis hin zu sexualisierter Gewalt konfrontiert sind & es daher notwendigerweise eine feministische Position in antifaschistischer Bewegung braucht.

Denen, die sich damit weiter beschäftigen wollen, legen wir folgende Texte von feministischen Zusammenhängen ans Herz: 
https://knack.news/3489 Das zarte lila Pflänzchen der rot-schwarzen Solidarität

https://de.indymedia.org/node/247407 Let’s take care of each other, so we can be dangerous together


Für einen feministischen Antifaschismus! Oder auch: Anna und Arthur halten’s Maul und umarmen sich ganz doll

Kein, Vergeben, kein Vergessen, kein Schlussstrich und kein Sommermärchen. Rede am 8. Mai auf der Gedenkkundgebung des VVN-BdA

Es ist das Jahr 2023. Auf den Tag genau 78 Jahre ist der Sieg der Allierten über Nazi-Deutschland jetzt her. Ein Sieg, der dem Nazi-Regime unter Hitler ein Ende bereitet hat, aber nicht dem Faschismus. Auch heute können Nazis immer noch frei herum laufen und ihren menschenverachtenden Hass unbehelligt verbeiten. Auf internationalen Versammlungen wie z.B. dem extrem rechten Eventwochenende in Budapest feiern jährlich tausende Neo-Nazis im Kontext des sogenannten “Tag der Ehre” offen ihren faschistischen Geschichtsrevisionismus. In Parlamenten verschiedestner Länder erhalten rechtsextreme Parteien immmer mehr Zuspruch. So ist es nicht mehr unwahrscheinlich, dass Marine Le Pen in Frankreich die nächsten Wahlen gewinnen könnte und in Italien bildet die Rechtsextreme unter Georgia Meloni bereits die Regierung. Auch in Deutschland sind die Faschist*innen der AfD im Bundestag und in 15 von 16 Landtagen vertreten. Aber nicht nur in den Regierungsgebäuden, auch auf der Straße treiben die Nazis in Deutschland weiter ihr Unwesen, wie dies zum Beispiel durch die Morde von NSU deutlich wurde. Die fehlende Aufarbeitung bzw. die Mit-Finanzierung des NSU-Terrors durch den Staat zeigt darüber hinaus, dass es sich hierbei auch heute noch um tief verankerte faschistische Strukturen handelt. Diese Strukturen finden sich auch innerhalb der staatlichen Repressionsorgane wieder und führen von rassistischen, antisemitischen und sexistischen Chatnachrichten, über Racial Profiling, geheimen Waffenansammlungen bis hin zu Morden. In diesem Kontext erlangte der Mord Oury Jallohs durch die deutsche Polizei traurige Berühmtheit. Aber auch außerhalb staatlicher Organe zeigen sich diese faschistischen Strukturen immer wieder. Erst vor x Tagen/Wochen verübten Rassist*innen einen Brandanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Berlin-x, bei dem eine Person ermordet wurde.
Und sogar am heutigen Tag, den 8. Mai, laufen VerschwörungsideolgInnen Schulter an Schulter mit Rechtsextremen durch Münster.
Es wird deutlich: Der Faschismus ist noch längst nicht besiegt, weshalb auch 78 Jahre nach dem Sieg über Nazi-Deutschland ein antifaschistischer Widerstand notwendig ist.

Die deutsche und globale Rechte inszeniert sich in krisengeprägten Zeiten als vermeintlicher Krisenlöser. Es mangelt an linken Antworten auf die Probleme der kapitalistischen Gegenwart, wer Angst hat, unter die Räder zu kommen oder dass das eigene Stück vom Kuchen kleiner wird, kämpft lieber um ein Ticket für die vermeintliche Rettungsinsel ,,Volk”, ,,Nation” oder ,,Vaterland”, und tritt nach unten, anstatt nach solidarischen Alternativen zu suchen. Alternativen, die keine Grenze zwischen innen und außen ziehen, zwischen oben und unten, die statt der eisernen Logik der Konkurrenz solidarische Beziehungsweisen etablieren. Als Linke, als Antifaschist*innen müssen wir für dieses solidarische Miteinander kämpfen, es erfahrbar machen, einen anderen Weg aufzeigen aus der kapitalistischen Misere als das Prinzip ,,alle gegen alle” und das Einordnen in die nationalen Zwangsgemeinschaft.

Unser Antifaschismus ist solidarisch, unversöhnlich mit Verhältnissen, die den rechten Hass immer wieder hervorbringen und einem Staat, der lieber gemeinsame Sache mit Nazis macht und Antifaschist*innen kriminalisiert, als die Parole ,,nie wieder” ernst zu nehmen. Auf den Plakaten der neuen Bundeswehrkampagne prangt der Slogan ,,was zählt, wenn wir wieder Stärke zeigen müssen?” Wieder? welches wieder ist damit gemeint? Die Zeiten von einem schwächlichen Deutschland ohne Selbstbewusstsein sollen wohl endlich vorbei sein. Wir haben keinen Bock auf diese Deutschland-Party. Kein Vergeben, kein Vergessen, kein Schlussstrich und kein Sommermärchen – wir bleiben Antifa!