Bürgerliche und Konservative als Steigbügelhalter für den Faschismus – Ein Blick auf aktuelle Faschisierungsdynamiken und Deutschland-Feierei.

Rede zum Anti-Oktoberfest am gazometer am 14.10.2023

Wir leben in einer ganz schön gruseligen Gegenwart. Ein Auswuchs dieser gruseligen Gegenwart ist die gruselige Oktoberfest-Tradition. Bei Oktoberfest denken wir an sexuelle Übergriffe und K.O.-Tropfen, an Parteitage der CSU und Hubert Aiwanger, an Volkstümelei und Hitlergrüße – deutsche Leitkultur halt.

In den Bierzelten herrscht eine Stimmung des ,,Endlich sagts mal jemand” und ,,das wird man ja wohl noch sagen dürfen” was sich vor allem auf rassistische und antifeministische Hetze bezieht und Beschwerden über das Unglück, das die grüne gender-wokeness über Deutschland bringt.

In der Zusammenrottung besoffener Deutschland-Fans kommt das zum Ausdruck und wird das abgefeiert, was uns enorm Angst macht – eine zunehmende Normalisierung rassistischer und nationalistischer Positionen, der allgemeine Prozess des gesellschaftlich nach rechts-rückens,die Faschisierung des Denkens und der Politik.

Und daran wirken die bürgerlich-konservativen Kräfte in diesem Land tatkräftig mit.

Bürgerliche und rechts-konservative Medien beschwören seit einiger Zeit eine Migrationskrise 2.0:

Auf dem Spiegel-Cover fragt man sich laut: Schaffen wir das nocheinmal? Dazu sind Flüchtende als gesichtslose Masse abgebildet, die anscheinend Europa und das ächtzende Deutschland überschwemmt.

Friedrich Merz schwurbelt in stumpfer rechtspopulistischer Manier herum, dass Geflüchtete die Zähne schön gemacht bekämen, während die normalen Deutschen leer ausgingen. Es ist an Blödsinn nicht zu übertreffen.

Wenn in Herford ein migrantischer Jugendlicher, Bilel, fast von der Polizei ermordet wird, weil er ohne Führerschein Auto gefahren ist, hetzt eine Allianz aus Parteien und Presse lieber rassistisch gegen ihn und die mit ihm solidarischen Herforder Jugendlichen, die sie als ,,kriminell”, ,,salafistisch”, ,,linksextrem” stempeln, anstatt die rassistische Polizeigewalt anzuklagen.

Im konservativen Lager ist man sich also einig: der größte Feind steht immernoch außen und links und man beschließt, ins rechte Hetzfeuer einzusteigen und die Politik, die sich AfD und Wählerschaft wünschen, gleich selbst in Teilen umzusetzen – um die rechte Gefahr zu entschärfen, versteht sich.

Natürlich ist man auch weiterhin übereifrig damit beschäftigt, Linke zu kriminalisieren. Dafür zieht man immer banalere Gründe heran: In Nürnberg wurden vor ein paar Tagen 6 Wohnungen wegen simplen free Lina-Antifa-Graffitis durchsucht und der Vorwurf der ,,kriminellen Vereingung” nach Paragraph 129 in den Raum gestellt. What else to say.

Um die fließenden Übergänge von Konservativen und Rechten aufzuzeigen braucht man aber gar nicht auf bayerische CSU-Parteitage und nürnbergische Staatsschutz-Abenteuer schauen, es reicht ein Blick auf die Straßen Münsters, wo seit Jahren, genau wie letzte Woche, eine Allianz aus christlichen Fundamentalist*innen, Burschenschaftlern und organisierten Rechten beim 1000K Marsch auf die Straße geht. Der Kitt zwischen konservativem und rechtsradikalen Milieu ist hier der Antifeminismus, man reicht sich da die Hand, wo man Frauen und Queers ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung absprechen und Frauen auf die Rolle der Reproduktion des Volkskörpers reduzieren will.

Die Konservativen und bürgerlichen sind kein Puffer, kein Bollwerk der Demokratie und Vernunft oder so ein Quatsch, sondern erweisen sich gerade als nichts anderes als Steigbügelhalter für den Faschismus. Wenn man was aus der Geschichte lernen will, erinnere man sich, dass auch der Nationalsozialismus nicht vom Himmel gefallen ist, sondern aus der deutschen Gesellschaft erwachsen und von der deutschen Gesellschaft getragen wurde.

Auch diesmal fällt die rechte Bedrohung nicht vom Himmel. Die deutsche Gesellschaft nach 45 hat sich Mühe gegeben, die nazistischen, rechten Kontinuitäten zu verschweigen und die Bürgerlichen geben sich als geläutert und wiedergutgeworden, dabei kommen die Konservativen von CDU, CSU und Co aus dem gleichen Sumpf, den man vorgibt, nach 45 trockengelegt zu haben.

Wir sehen es bei Aiwanger und dem CSU Wahlkampf in Bayern: Der Skandal um antisemitische Flugblätter, die er in seiner Jugend bei sich trug, beschert ihm ein Direktmandat. Man könnte sagen: Nicht trotz, sondern wegen seiner antisemitischen Flugblätter ist er so erfolgreich. AfD, CSU und Co sind nicht erfolgreich trotz, sondern wegen ihrer rassistischen Hetze, ihrer demonstrativen Absage an inklusive Solidarität, an Menschlichkeit.

Apropros Antisemitismus und weil es sich falsch anfühlen würde, in diesen Tagen nichts dazu zu sagen:
Weil Antisemitismus ein gesellschaftliches Problem ist, ist er auch in der Linken präsent, was in der zurückliegenden Woche besonders deutlich wurde. Von einem erschreckend großer Teil von dem, was man so gemeinhin als ,,Linke” bezeichnet, wurde das größte Massaker an Juden und Jüdinnen seit der Shoah als ,,antikolonialer Widerstand” bezeichnet und als dieser begrüßt. Während man vor einiger Zeit noch Jin Jiyan Azadi skandierte, feiern manche den islamistischen und zutiefst frauenverachtenden Terror der Hamas, sponsored vom iranischen Regime als ,,Befreiungskampf” ab. Das hat nichts, absolut gar nichts mit Befreiung und Emanzipation zu tun, sondern ist pure Menschenverachtung und politischer Verrat. Wer ein ,,nie wieder” und ,,gegen jeden Antisemitismus” ernst meint, sollte gerade in diesen Tagen, an dem Juden und Jüdinnen in Israel und der ganzen Welt bedroht sind, nicht die Augen vor dieser Realität verschließen.

Genauso ekelhaft ist die deutsche Gesellschaft, die die Gelegenheit jetzt gern nutzt, um ihren Antisemitsmus zu externalisieren und in pauschale rassistische Hetzte gegen migrantische Menschen und Muslim*innen verfällt.

Zurück zum Oktoberfest: Wir wünschen uns eine Welt ohne volksbegeistertes Schunkeln im Bierzelt. Wir haben nichts gegen Schunkeln, im Gegenteil- wir wollen schunkeln ohne Volk, Staat und Patriarchat und wir wollen eine Gesellschaft, in der Menschen gar nicht das Bedürfnis haben, sich mit der Volkgsgemeinschaft zu verschmelzen, aus der Angst, sonst unter die Räder zu kommen und um irgendwo dazuzugehören.
Dafür muss es den Grundfesten dieser Gesellschaft an den Kragen gehen, die diese Deutschtümelei immer wieder hervorbringt. Es muss dem Patriarchat an den Kragen, dass sich in den stickigen Zelten für viele als gewaltvoll konkretisiert.

Lasst uns gemeinsam dran bleiben, das möglich zu machen.