Kein, Vergeben, kein Vergessen, kein Schlussstrich und kein Sommermärchen. Rede am 8. Mai auf der Gedenkkundgebung des VVN-BdA

Es ist das Jahr 2023. Auf den Tag genau 78 Jahre ist der Sieg der Allierten über Nazi-Deutschland jetzt her. Ein Sieg, der dem Nazi-Regime unter Hitler ein Ende bereitet hat, aber nicht dem Faschismus. Auch heute können Nazis immer noch frei herum laufen und ihren menschenverachtenden Hass unbehelligt verbeiten. Auf internationalen Versammlungen wie z.B. dem extrem rechten Eventwochenende in Budapest feiern jährlich tausende Neo-Nazis im Kontext des sogenannten “Tag der Ehre” offen ihren faschistischen Geschichtsrevisionismus. In Parlamenten verschiedestner Länder erhalten rechtsextreme Parteien immmer mehr Zuspruch. So ist es nicht mehr unwahrscheinlich, dass Marine Le Pen in Frankreich die nächsten Wahlen gewinnen könnte und in Italien bildet die Rechtsextreme unter Georgia Meloni bereits die Regierung. Auch in Deutschland sind die Faschist*innen der AfD im Bundestag und in 15 von 16 Landtagen vertreten. Aber nicht nur in den Regierungsgebäuden, auch auf der Straße treiben die Nazis in Deutschland weiter ihr Unwesen, wie dies zum Beispiel durch die Morde von NSU deutlich wurde. Die fehlende Aufarbeitung bzw. die Mit-Finanzierung des NSU-Terrors durch den Staat zeigt darüber hinaus, dass es sich hierbei auch heute noch um tief verankerte faschistische Strukturen handelt. Diese Strukturen finden sich auch innerhalb der staatlichen Repressionsorgane wieder und führen von rassistischen, antisemitischen und sexistischen Chatnachrichten, über Racial Profiling, geheimen Waffenansammlungen bis hin zu Morden. In diesem Kontext erlangte der Mord Oury Jallohs durch die deutsche Polizei traurige Berühmtheit. Aber auch außerhalb staatlicher Organe zeigen sich diese faschistischen Strukturen immer wieder. Erst vor x Tagen/Wochen verübten Rassist*innen einen Brandanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Berlin-x, bei dem eine Person ermordet wurde.
Und sogar am heutigen Tag, den 8. Mai, laufen VerschwörungsideolgInnen Schulter an Schulter mit Rechtsextremen durch Münster.
Es wird deutlich: Der Faschismus ist noch längst nicht besiegt, weshalb auch 78 Jahre nach dem Sieg über Nazi-Deutschland ein antifaschistischer Widerstand notwendig ist.

Die deutsche und globale Rechte inszeniert sich in krisengeprägten Zeiten als vermeintlicher Krisenlöser. Es mangelt an linken Antworten auf die Probleme der kapitalistischen Gegenwart, wer Angst hat, unter die Räder zu kommen oder dass das eigene Stück vom Kuchen kleiner wird, kämpft lieber um ein Ticket für die vermeintliche Rettungsinsel ,,Volk”, ,,Nation” oder ,,Vaterland”, und tritt nach unten, anstatt nach solidarischen Alternativen zu suchen. Alternativen, die keine Grenze zwischen innen und außen ziehen, zwischen oben und unten, die statt der eisernen Logik der Konkurrenz solidarische Beziehungsweisen etablieren. Als Linke, als Antifaschist*innen müssen wir für dieses solidarische Miteinander kämpfen, es erfahrbar machen, einen anderen Weg aufzeigen aus der kapitalistischen Misere als das Prinzip ,,alle gegen alle” und das Einordnen in die nationalen Zwangsgemeinschaft.

Unser Antifaschismus ist solidarisch, unversöhnlich mit Verhältnissen, die den rechten Hass immer wieder hervorbringen und einem Staat, der lieber gemeinsame Sache mit Nazis macht und Antifaschist*innen kriminalisiert, als die Parole ,,nie wieder” ernst zu nehmen. Auf den Plakaten der neuen Bundeswehrkampagne prangt der Slogan ,,was zählt, wenn wir wieder Stärke zeigen müssen?” Wieder? welches wieder ist damit gemeint? Die Zeiten von einem schwächlichen Deutschland ohne Selbstbewusstsein sollen wohl endlich vorbei sein. Wir haben keinen Bock auf diese Deutschland-Party. Kein Vergeben, kein Vergessen, kein Schlussstrich und kein Sommermärchen – wir bleiben Antifa!